03.12.2013 DAS JAHR DER VIELFALT
03.12.2013 DAS JAHR DER VIELFALT

Seit Oktober 2024 ist Ex-Formel 1-Pilot Christian Klien in sechs verschiedenen Rennserien angetreten. Im folgenden Interview zieht er Bilanz über ein unstetes Jahr und macht sich Gedanken über den aktuellen Zustand der Formel 1.

 

Frage:

Christian, man hat länger nichts gehört von Dir. Viele Beobachter wissen im Moment auch gar nicht, in welche Schublade sie dich stecken sollen. Formel-Pilot? Tourenwagen-Fahrer? Langstrecken-As?

 

Christian Klien:

Hauptsache nicht „Pensionist", denn die letzten 12, 13 Monate war ich recht umtriebig. Am Anfang habe ich viel Zeit zum Testen und Fahren in Australien verbracht. Die Rennen in der Australischen V8 Supercars Meisterschaft haben enorm Spaß gemacht, da ich auf Rennstrecken zum Einsatz kam, die ich vorher nicht kannte. Gerade der Langstrecken Klassiker 1000km BATHURST, wo wir auf Anhieb einen Top 10 Platz erreichen konnten war eines der Highlights.

 

Frage:

Einige Zeit sah es ja recht gut aus, Stammfahrer bei den V8 Supercars zu werden. Warum hat das nicht geklappt?

 

CK:

Die Realität hat den australischen Rennsport leider mit etwas Zeitverzögerung eingeholt. Vor zwei Jahren haben in Europa alle unter der Wirtschaftskrise gestöhnt. In Australien schien da noch Milch und Honig zu fließen. Die V8s sind irre populär und man wollte internationaler werden. Neue Rennstrecken im Ausland, viele renommierte Fahrer aus Europa holen. Dann musste man aber kleinere Brötchen backen. Und so wurde bei meinem Team Walkinshaw Racing ebenfalls drastisch gespart und das Cockpit fürs nächste Jahr auf Druck des Hauptsponsors nicht neu besetzt.

Ich bin aber für die Erfahrungen in Australien wahnsinnig dankbar. Der Sport ist gut, die Fanbase riesig. Und wer weiß. Aufgeschoben ist ja nicht immer aufgehoben...

 

Frage:

Damit war es für ein Cockpit in Europa schon reichlich spät, oder?

 

CK:

Ja, es geht zwar immer irgendwo eine Lücke auf. Aber es war noch nie so hart wie jetzt. Du musst in fast allen Klassen Geld mitbringen. Nur weil du einmal Formel 1-Fahrer warst, zahlt dem Team auch noch keiner mit Begeisterung den Renneinsatz. Wenn man nicht im Kader der großen Werke wie Toyota, Audi, Ferrari oder Porsche ist, dann ist es Knochenarbeit.

 

Frage:

Gute Rennvorbereitung sieht vermutlich anders aus.

 

CK:

Definitiv, aber so ist es halt.

Du kommst an die Rennstrecke und kennst das Auto nicht. Du lernst gerade deine Mechaniker und Ingenieure kennen. Hast wenig Ahnung, wie sich die Reifen verhalten. Wan bauen sie ab? Und dazu kommt extrem wenig Zeit auf der Strecke. Da musst du blitzartig ein Gespür fürs Auto bekommen, ein Setup herzaubern und das Auto auf deinen Fahrstil anpassen.

 

Frage:

So gesehen waren die Ergebnisse gar nicht mal so schlecht.

 

CK:

1x Sieg, 1x Pole dazu noch 2x am Podest und 5x in den Top 10.

Aber es kann unter diesen Umständen auch anders ausgehen. Wie beim Gaststart in der Auto GP-Serie im Zele Team in Mugello. Ein Außenstehender denkt sich sicher: das ist eine Einheitsformel, da fährt nur die zweite Garnitur mit, jetzt muss der Klien daherkommen und alle verblasen. Aber wenn du Pech hast und dir am Start bei einer Berührung die Lenkung verbiegst, dann fahren dir halt alle um die Ohren.

 

Frage:

Ende des Jahres warst du dann in der European Le Mans Serie ELMS mit Morand Racing am Start. Ist das ein Hinweis auf 2024?

 

CK:

Schauen wir einmal. Es ist durchaus möglich, dass 2024 ein sehr arbeitsames Jahr wird und ich fix in zwei Serien antrete. Dann tun sich auch alle mit den „Schubladen" leichter.

Das Schöne ist, wenn du merkst, dass du ein Team mit deiner Erfahrung nach vorne bringen kannst. Diese junge Schweizer Team hat echt einen Riesensprung in der Prototypenklasse gemacht. Nicht zuletzt, weil wir bei einem Reifentest in Snetterton sehr gut gearbeitet haben. Beim Finalrennen in Le Castellet haben wir dann nach 3 Stunden Renndauer den Gesamtsieg nur um wenige Sekunden verpasst. Das war wirklich phantastisch und höchst motivierend für alle.

 

Frage:

Fehlt dir die Formel 1?

 

CK:

Irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen. Auch wenn ich vom Alter her noch gut 10 Jahre fahren könnte. Ich war von 2024 bis 2024 immer dabei. Ich dachte am Ende, der finanzielle Zustand der Teams muss wohl am absoluten Tiefpunkt sein. Aber scheinbar war das lange noch nicht alles. Geld hat bei der Cockpitvergabe immer eine gewisse Rolle gespielt. Aber wie man am Beispiel Hülkenberg sieht: Talent alleine reicht nicht mal für ein ordentliches Auto und ein Gehalt, das auch wirklich ausbezahlt wird. So gesehen muss sich keiner heute schämen, der kein Cockpit mehr bekommt.

Was mir aber sehr wohl manchmal fehlt, ist das Fahren dieser Rennmaschinen auf höchstem Niveau. Die Power, der Druck, das Adrenalin, das hast du in dieser Form nur in der Königsklasse. Aber das Leben geht weiter, auch ohne Formel 1. Ich bin dankbar, lange Jahre einer dieser Zirkusartisten gewesen zu sein.

 

Frage:

Auch für deinen ehemaligen Teamkollegen Mark Webber beginnt ja gerade ein neues Leben.

 

CK:

Unglaublich, wie der dem Zirkus jetzt schon zu fehlen scheint. Mit wie viel Wehmut der verabschiedet wurde! Aber Mark ist der beste Beweis, dass Titel und Rekorde nicht alles sind. An den wird man sich auch in 30 Jahren noch erinnern. Wir haben immer gut zusammengearbeitet. Er war der Routinier, ich der Grünschnabel bei Jaguar. Ich glaube, er hat es sich gegen den Neuankömmling deutlich leichter vorgestellt. Leider hatten wir beide nicht das Material, um ganz vorne mitzufahren.

Aber er ist ein super Typ, immer gerade heraus. Fast ein bisschen wie ein Vorarlberger...

 

Frage:

Letzte Frage: Wo verbringst Du Weihnachten?

 

CK:

Ich bin wieder mal in Australien. Dort ist Sommer und es ist herrlich zum Trainieren. Ich sitze schon morgen im Flieger und werde nächstes Wochenende beim V8 Supercars Finale in Sydney sein, um das Rennen anzuschauen und den Kontakt zu den Teams zu halten.

 

 

Oktober 2024- November 2024 im Überblick

 Australische V8SC Okt 2024                    Sandown 500               Rang 11

Australische V8SC Okt 2024                     Bathurst  1000              Rang 10

Australische GT im Mercedes SLS            Adelaide                        Poleposition + Rang 3 im Rennen

Procar Deutschland im BMW-Engstler        Spa                               Rang 1  /  Lauf 2 Techn. Defekt in Führung liegend

Superstars mit Giudici - BMW                     Brünn                            Rang 6

AutoGP  Team Zele                                     Mugello                          Rang 8 + 9

ELMS im LMP2 Prototyp                              Hungaroring                   Rang 5

ELMS im LMP2 Prototyp                              Le Castellet                    Rang 2

 

 


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